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Erziehungswissenschaft vernetzt


Lehrbuch: Übersicht

Zur theoretischen Figur „Entmischung“

In einem ersten berufsbildungswissenschaftlichen Qualifikationsforschungsschritt geht es darum, freigesetzte Formen von Arbeit genauer zu identifizieren und zwar mit Hilfe der theoretischen Figur Entmischung. Der instrumentelle Charakter dieser Figur resultiert aus einer Reihe von Beobachtungen, die verstärkt mit Beginn der 1990er Jahre gemacht werden
konnten. Sie weist darauf hin, dass die überkommenen Arbeitsschneidungen verändert werden.

Den Beobachtungen zur Folge treten Entmischungsprozesse vor allem dort auf, wo der gesellschaftliche Rationalisierungsdruck besonders groß ist und sich hochwahrscheinliche Skalenerträge erzielen lassen, oder anders ausgedrückt, dort, wo gute Bedingungen zur Gewinnerzielung gegeben sind. Um ein Beispiel zu geben: Massenkundenkontakte führen in der traditionellen Organisation von Vertrieb/Verkauf bzw. Service/Kundenberatung zu Engpässen aufgrund von Personalbedarf bzw. anders betrachtet zu Zeit- und Kostendruck. Kostendruck und Wettbewerb erlauben jedoch keine quantitative Lösung, z. B. durch Erhöhung des Personalbestandes. In solchen Prozessen, die mit der Kategorie Entmischung gefasst werden, lösen Unternehmen heute die bestehenden, institutionell verfassten Arbeitsstrukturen bzw. -komplexe auf. Darauf muss bildungspolitisch reagiert werden: Zum einen ordnungspolitisch mit der curricularen Gestaltung von Bildungsgängen und zum anderen inhaltlich im Hinblick auf das relevante Wissen und Können. Insbesondere das Verhältnis von wissenschaftlichem Wissen und Erfahrungswissen verändert sich mit der qualitativen Neuorganisation der Arbeit.

Im Folgenden werden in vereinfachter Weise und in systematisierender Absicht einige Entmischungsprozesse benannt und mit Hilfe ausgewählter Praxisbeispiele veranschaulicht. In der folgenden Abbildung sind die wichtigsten heute erkennbaren Entmischungsprozesse im Überblick dargestellt und nach den zentralen qualifikationstheoretischen Bezugsgrößen typisiert. Mit qualifikationstheoretischen Bezugsgrößen sind zentrale ökonomische Begriffe angesprochen, die aus Sicht der berufsbildungswissenschaftlichen Qualifikationsforschung spezifisch interpretiert werden. In diesem Sinne wird zum Beispiel die Kapitalallokation als Zuteilung von Kapital und deren Auswirkungen auf Wissensstrukturen, auf Anforderungen und auf die gesellschaftlichen Normen- und Wertekonstellationen (berufsbildungswissenschaftlich) relevant. Die Erfassung der ökonomischen Größen (alternativ könnten hier auch technische, soziale oder rechtliche Bezugsgrößen gewählt werden) erfolgt also allein im Hinblick auf die bildungspolitische bzw. curriculare Gestaltung von Bildungsgängen, Kompetenzdifferenzierungen, Ordnungsmitteln etc.

Entmischungskonzept

Entmischungskonzept

 

In der dritten Spalte der Übersicht sind als ökonomische Orientierungsgröße geschätzte Marktwerte angegeben; insgesamt belaufen sie sich für die Bundesrepublik Deutschland auf ca. 30 Billionen Euro. Dieses Investment bzw. Desinvestment wirkt unmittelbar auf die Organisation der volkswirtschaftlichen Arbeitsschneidung bzw. Wertschöpfung und mittelbar auf die Bedarfe an Arbeitsvermögen und die Strukturierung ganzer Bildungsgänge. Sie ist somit als Potentialgröße ein Indikator für zu erwartende Veränderungen. Im Detail ist hierzu das jeweilige Entmischungsfeld mit seinen konkreten Bezügen zu analysieren. Aussagen über die zu erwartenden strategischen Entscheidungsprozesse hinsichtlich der Personalsteuerung werden erst mit den konkreten Bezügen und über eine auf institutionelle, curriculare und subjektbezogene Kompetenzen gerichtete Bedarfsprognostik möglich.

Nachfolgend werden zwei Entmischungskomplexe mit unterschiedlichen Bezugsgrößen in der Spanne von Investment und Desinvestment vorgestellt: die Insolvenz oder Auflösung und das Outsourcing bzw. die Ausgründung.

Entmischung und Insolvenzmarkt

Nach der jährlichen Insolvenzausweisung des Bundesamtes für Statistik hatte die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2004 eine noch höhere Anzahl an Insolvenzen zu verkraften als in den Vorjahren: Diese stiegen – nach einem leichten Rückgang von 27.800 in 1998 auf 26.400 im Jahr 1999 – wieder kontinuierlich bis auf den derzeitigen Höchststand von 39.213 Insolvenzfällen für 2004 an.

Insolvenzen nach Wirtschaftszweigen / Branchen

Insolvenzen nach Wirtschaftszweigen / Branchen

 

Damit stehen rund 40.000 weniger Betriebe für die Produktion und damit – soweit sie ausgebildet haben – auch für die Ausbildung zur Verfügung. Die Insolvenz-Verluste sind danach vom bisherigen „Pleitenspitzenjahr“ 2002 zurückgegangen (von rund 62 Milliarden Euro in 2002 auf 42 Milliarden Euro in 2003, vgl. Statistisches Bundesamt (DESTATIS)/Pressemitteilung vom 18. März 2004), was darauf zurückzuführen ist, dass weniger Großbetriebe Konkurs angemeldet haben. Die 270.000 von Großinsolvenzen des Jahres 2002 (Holzmann, Babcock Borsig, Kirch Media, Gontard, Peguform, Mühl, Herlitz, Sachsenring, Fairchild Dornier, Schneider, Schmidt-Bank etc. mit einem Gesamtverlust von rund 62 Milliarden Euro) betroffenen Beschäftigten waren dramatische (und entsprechend medienwirksame) Höchstzahlen, die 2003 auf 220.000 zurückgegangen sind.

Die Bauindustrie war mit über 9000 Insolvenzen bereits 2001 besonders betroffen und auch der Technologiesektor baute in der Vergangenheit Produktionskapazitäten auf, deren Produktionsmengen am Markt nicht mehr abzusetzen waren.

Von Experten werden mit Bezug auf die „Norm“ von Insolvenzen als Besonderheiten der aktuellen Insolvenzwelle herausgestellt: Erstens habe sich die Wettbewerbssituation erheblich verschärft und zweitens verfügten die Mittelgeber wesentlich restriktiver über ihr Kapital. So sind Unternehmen wie Holzmann oder Dornier nach Expertenmeinung eher an strukturellen Problemen gescheitert.

Aber nicht nur die spektakulären Insolvenzfälle haben Rückwirkungen auf die Kreditwirtschaft, sondern auch die Tatsachen, dass einerseits die betroffenen Unternehmen ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen können und andererseits die Banken selber häufig an den Unternehmen beteiligt sind.

Rückstellungen bei Banken

Rückstellungen bei Banken

 

Nach den Recherchen der Geschäftberichte machten „Problemkredite“ bei der Deutschen Bank Ende 2001 allein 12,7 Mrd. Euro und bei der HypoVereinsbank 12,9 Mrd. Euro aus. Gleichzeitig erhöhen die Banken ihre Vorsorge für die vom Ausfall bedrohten Kreditarrangements. Die Deutsche Bank zum Beispiel steigerte ihre Risikovorsorge um 134% auf 1.024 Mrd. Euro. Neben den Großbanken sind auch Genossenschaftsbanken und Sparkassen in die Konkurse involviert. So musste das noch junge genossenschaftliche Spitzeninstitut DZ-Bank aufgrund der Kreditvergabepolitik Ende der 1990er Jahre für 2001 ca. 700 Mill. Euro Risikovorsorge bilden. Für das Jahr 2000 hat die DG-Bank, inzwischen mit der GZ-Bank zur DZ-Bank fusioniert, knapp 1 Mill. Euro wertberichtigt.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht weist darauf hin, dass die Risikovorsorge der Banken in 2005 ihren bisher höchsten Stand erreicht haben wird. Damit sei eine ausgesprochene Rentabilitätsschwäche der Banken selbst verbunden, was z. B. bei der fränkischen Schmidt-Bank dazu führte, dass sie lediglich durch eine Auffanggesellschaft Medusa – bestehend aus den vier Großbanken und der Bayerischen Landesbank – vor dem Konkurs gerettet werden konnte. Der Bundeshaushalt hält für die Subventionierung von Insolvenzen Bürgschaften, Garantien und Gewährleistungen bis zu 85 Milliarden Euro (2002) vor.

Für eine berufsbildungswissenschaftliche Qualifikationsforschung sind solche Insolvenzen zu beachten, weil sich insolvente Unternehmen auflösen. Eine darauf bezogene Analyse wäre über eine systematische Befragung der für Insolvenzrecht zuständigen Fachanwälte möglich, die mit der Organisation von Auflösungsprozessen betraut sind. Strukturerhebungen könnten klären, inwieweit die Gläubigerkonstellationen die Qualifikationsbedarfe verändern. Zudem wäre über eine Verbleibsanalyse der betroffenen Beschäftigten Hinweise zu erhalten, welche Qualifikationen und/oder Verhaltensweisen eine Reintegration in den Arbeitsmarkt befördern. Damit ist nur eine Auswahl an möglichen Fragestellungen umrissen.

Entmischung und Outsourcingmarkt

Eine Wirkungskette von Insolvenzen stellt sich folgendermaßen dar: Insolvenzen fordern von den Banken Rückstellungen in nicht unerheblicher Höhe (vgl. Deutsche Bundesbank 2002, 41), die die Kosten-Leistungsstruktur erheblich verändern, indem sie zu einer Verschlechterung der Kapitalrendite führen, was wiederum Kostenstrukturbereinigungen erforderlich macht. Zwecks Kostenreduktion hat zum Beispiel der Vorstand der Deutschen Bank in der Hauptversammlung (Mai 2002) ein Programm vorgelegt, dass eine Einsparung bis Ende 2003 von rund 2 Millionen Euro vorsieht und insgesamt 9.500 Deutsche Bank-Mitarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland betreffen sollte.

Für den Technologie-Sektor der Großbank hat man ein spezielles Sparprogramm (Projekttitel: „Summer“) ausgearbeitet, dass die Entlassung von zunächst weltweit 600 Beschäftigten aus dem Bereich Global Technologies & Operations (GTO) der Investmentbanksparte vorsieht. Für die Bundesrepublik war insofern eine Reorganisation des IT-Bereichs geplant als man diesen aus dem Unternehmen Deutsche Bank AG ausgelagert und an einen externen Dienstleister vergeben hat. Die möglichen Einsparungen werden auf insgesamt etwa 120 Millionen Euro in zehn Jahren beziffert. Der mit einem jährlichen Budget von 440 Millionen Euro versehene IT-Bereich der Deutschen Bank soll mitsamt den Mitarbeitern an einen (externen) Spezialisten übergeben werden. Um dieses Outsourcingpaket haben sich fünf Gesellschaften beworben, unter ihnen die beiden (Groß) Dienstleister IBM und EDS, aber auch die Unternehmen CSC Ploenzke, Accenture und T-Systems.

Das Programm „Summer“ ist kein Einzelfall, sondern die Deutsche Bank schließt sich damit durchaus einem Branchentrend an, den bereits J.P. Morgan Chase, American Express, Banca Roma und auch die Bank of Scotland mit der Auslagerung ihrer IT-Bereiche gesetzt haben.

Eine berufsbildungswissenschaftliche Qualifikationsforschung berücksichtigt solche Outsourcing-Prozesse und fragt nach

  • deren Veränderungspotential im Hinblick auf gesellschaftliche und unternehmensbezogene Arbeitsteilung,
  • den damit einhergehenden Auflösung von Arbeitszusammenhängen,
  • der Verlagerung von Erwerbsarbeit in andere Unternehmen,
  • der damit verbundenen Umgestaltung von Qualifikationen, Bildungsgängen etc.

Diese Erfassung detaillierter Zusammenhänge kann über bekannte und erprobte Verfahren der Qualifikationsforschung erfasst werden. Neu dabei ist

  • der Zugriffsfokus,
  • die genaue Betrachtung der Wirkungsketten sowie
  • die Zeitnähe der Forschung.

Aufgrund der fokussierten Prozesssicht werden den Transformationsfaktoren besondere Aufmerksamkeit geschenkt, um die Übergänge von einem Zustand bzw. einer Entscheidung in den nächstfolgenden bzw. der nachfolgenden analytisch berücksichtigen zu können.

Die mit Outsourcingprozessen verbundenen Entmischungsprozesse führen zu neuen Arbeitsschneidungen und sollten genauer untersucht werden.

Denn im Rahmen der Entmischungsprozessforschung werden in einem weiteren Schritt die zumeist durch Informations- und Kommunikationstechnik be- und geförderten Prozesse der Arbeitsschneidungen lokalisiert. Dabei sind Komplexitätssteigerungen in den Arbeitsanforderungen ebenso von Interesse wie neue Separationen, Desintegrationen und Faktorkombinationen (vgl. Huisinga 1990). In einer Art Musterforschungsprozess zwecks Bestätigung des Axioms von Freisetzung und Vergesellschaftung (vgl. Abschnitt 4.1) wurde das Feld der ökonomischen Steuerung
von Massenkundenkontakten näher untersucht und zwar in den Branchen

  • Banken,
  • Versicherungen,
  • Energieversorger,
  • Telekommunikationsdienstleister sowie
  • Handel und
  • Gesundheitswesen.

In allen diesen Branchen werden Marktkontakte im Feld der Massenkundenbewältigung zwischenzeitlich über Call Center (In- oder Outbound) reguliert. Mit deren Realisierung verändert sich zugleich der Personaleinsatz, die Verwendung von Wissen und damit die Qualifizierung. Das forschungsstrategische Hauptproblem bleibt dabei die Identifizierung von gesellschaftlichen Rationalisierungskomplexen. Weitere solcher Rationalisierungskonzepte, die zugleich Berufsausbildung zentral tangieren, sehe ich, was hier nicht weiter ausgeführt werden kann, in der Regulierung von Transport und Logistik, von Finanzdienstleistern und der öffentlichen Verwaltung. Bestärkt wird meine Auffassung durch aktuelle BIBB-Forschungen

  • im Transport- und Logistikbereich (vgl. z. B. Dobischat/Düsseldorf 2003),
  • zu den Finanzdienstleistungen (vgl. z. B. Hall 2004) ebenso wie
  • in der (öffentlichen) Verwaltung (vgl. z. B. Elsner 2004).

Zum Outsourcing ineffizienter Massenkontakte mit Kunden

Outsourcing ist ein Kunstwort. Folgt man Köhler-Frost (vgl. Köhler-Frost 1993, 13 ff.), stammt der Begriff aus dem amerikanischen Wirtschaftsleben und ist eine Kombination aus den Worten outside resource using. Unternehmenspolitisch ist damit gemeint, sich externe Ressourcen zunutze zu machen für den eigenen Leistungsherstellungsprozess. In den 1960er Jahren wurde in diesem Sinne von vielen Unternehmen in der Bundesrepublik z. B. auf die Leistung kommunaler Gebietsrechenzentren zurückgegriffen. Investitionen in eigene Datenverarbeitungsanlagen waren zu kostspielig und diesbezügliche betriebliche Kapazitäten nicht effizient auszulasten.

Zwischenzeitlich hat sich die Wortbedeutung jedoch verschoben. Gemeinhin wird unter Outsourcing ein Prozess verstanden, bei dem bestehende Arbeitsabläufe bzw. Aufgaben, möglicherweise sogar ganze Betriebsteile, aus einer Unternehmensorganisation herausgelöst werden und die damit verknüpfte Leistungsbereitstellung nunmehr über den Markt durch externe Anbieter erfolgt.

Ziel von Outsourcing ist eine Straffung des Wertschöpfungsprozesses. Materielle und immaterielle Infrastruktur wechseln vom Outsourcer zum Dienstleister und Arbeitsverhältnisse verändern sich bei beiden. Zuweilen werden für den Ausdruck Outsourcing auch andere Synonyme verwendet wie z. B. Externalisierung oder Anglizismen wie Contracting out, Farming out oder Subcontracting.

Als Konzept zur Wirtschaftlichkeitsoptimierung von Unternehmensfunktionen und -prozessen wird Outsourcing vor allem in großen Unternehmen, Behörden und Institutionen praktiziert. Schon in den 1950er Jahren begannen Großunternehmen Hilfsbetriebe und Dienstleistungsbereiche auszugliedern, z. B. Instandhaltungsbereiche oder kleine unternehmenseigene Zulieferbetriebe wie Tischlereien, Schuhmacherwerkstätten, Druckereien, Logistikabteilungen, Kantinen, Wach- und Sicherheitsdienste etc.

Mit der zweiten Generation der Datenverarbeitungsanlagen findet man in der Bundesrepublik Deutschland vor allem Outsourcingformen im Bereich der Informations- und Datenverarbeitung. Die Auslagerung betraf zum größten Teil den Bereich der Lohn- und Gehaltsabrechnungen sowie der Buchführung, die man in Rechenzentren verlegte (IT-Outsourcing). Mit Beginn der 1990er Jahre avancierte das Outsourcing zu einem “Marketingbegriff”. Alle betrieblichen Funktionen, die nicht unmittelbar in der erwünschten Weise zum Leistungserfolg beitrugen, also Teil eines ”core business“ waren, mussten sich die Frage nach ihrer Effektivität oder gar nach ihrer Existenzberechtigung gefallen lassen. Insbesondere kamen all jene Aufgaben und Tätigkeiten in das Visier der Revisoren und Kostenprüfer, die sich auf die spezifischen Infrastruktursysteme der Informations- und Kommunikationstechnik stützten. Die Automobilindustrie und ihr Zulieferersystem liefern dafür zahlreiche Beispiele (vgl. Studien in der Automobilindustrie, z. B. Kern/Schumann 1984). Heute führten zahlreiche Fortune-500 Unternehmen mit „brutaler Konsequenz“ fort, was in den 1960er Jahren mit IT-Outsourcing begonnen habe: Das Outsourcing kaufmännischer Funktionen (vgl. Wullenkord/Kiefer/Sure 2005).

Fälschlicherweise wird der Begriff Outsourcing jedoch überwiegend als Synonym für die Auslagerung von Datenverarbeitungs-Funktionen an externe Dienstleister benutzt, die dem primären Ziel der Kostenreduktion dient. Aus meiner Sicht verkürzt diese Kostenperspektive jedoch den Vergesellschaftungsaspekt der grundständigen Organisation von arbeitsteilig angelegter Produktion und Dienstleistung.

Bezugsebenen von Outscourcing

Outsourcingprozesse – so könnte man die ersten (Teil)Forschungsergebnisse im Feld (Banken, Handel, Energieversorger und Gesundheitswesen) wie auch die entsprechende Literatur zusammenfassen – erfolgen nach durchaus unterschiedlichen Logiken, deren Bezugsebenen sich stichwortartig fassen lassen als

  1. Kostenkalkül,
  2. Komplexes Contracting und
  3. Soziale Implikation.
(1) Outscouring als Kostenkalkül

Ein wichtiger Grund für die weiter steigende Motivation, betriebliche Funktionen und Prozesse auszugliedern oder auszulagern, liegt in ökonomischen Disproportionalitäten. Das weiter vorn gegebene Beispiel der Deutschen Bank belegt dies zutreffend. Deren Outsourcing wird mit der Begründung gefordert bzw. durchgesetzt, dass 14% des Verwaltungsaufwandes bei der Deutschen Bank auf die Informations- und Kommunikationstechnik entfalle, worin alle Ausgaben für Entwicklung, Infrastruktur, Abwicklung im Backoffice samt der Gehälter für die Mitarbeiter im Zahlungsverkehr eingeschlossen sind. Die Reduzierung dieses Kostenblocks verbessere die “Cost-Income-Ratio“ der Deutschen Bank.

Dem ökonomischen Charakter nach läuft ein Outsourcing auf eine “Make or Buy-Entscheidung“ hinaus. Damit ist die Frage angesprochen, ob Produkte oder Dienstleistungen durch andere Unternehmen günstiger und besser hergestellt oder geliefert werden können. Eine Eigenerstellung ist dabei in aller Regel mit dem Aufbau oder dem Erhalt von Kapazitäten verbunden. Sie führt zu einer Erhöhung des sogenannten Fix-Kosten-Blocks sowie zu einer Erhöhung der Gemeinkosten. Damit verschiebt sich die Gewinnschwelle (Break-Even-Point) nach oben. Ausgeprägte Fix-Kosten-Belastungen können darüber hinaus ein Zeichen für inflexible Strukturen sein.

Make-or-Buy-Entscheidungen haben daher zum Ziel,

  • die Kosten langfristig und absolut zu senken;
  • zur Strukturverbesserung im Sinne der Flexibilität der Fixkostenbelastung beizutragen;
  • eine Komplexitätsreduktion herbeizuführen (z. B. geringere Fertigungstiefe);
  • Engpässe zu beseitigen und zur Verstetigung der Arbeitsabläufe beizutragen.

Wie diese Ziele erreicht werden, bedarf der konkreten Analyse. Eine unmittelbare Kosteneinsparung erwarten Outsourcer durch technische und systemtechnische Dienstleistungen, also Rechnerleistungen, Software-Nutzung, Datenübertragung und Druckleistungen bei der Bewältigung von Massenkontakten mit Kunden. Die betriebliche wie gesellschaftliche Rationalisierung der Massenkontakte führen Unternehmen zum Outsourcing. Das immer umfangreichere bzw. komplexere Know-how für die Nutzung und die Organisation der Technik gilt darüber hinaus als Kostentreiber. Auch zur Nutzung externer Wissens- und Problemlösefähigkeiten finden Outsourcingprozesse statt. So erwarten Outsourcer, neue DV-Anwendungen schneller und mit einer höheren Qualität realisieren zu können (vgl. Horchler 1996, 7).

Die Behandlung der Outsourcing-Entscheidung wird in der einschlägigen Literatur zugleich in Zusammenhang gebracht mit einer Stärkung der Konzentration auf das Kerngeschäft. Durch Problem- und Risikotransfer auf Dienstleister soll eine Steigerung der Flexibilität des Unternehmens erreicht werden. Dabei gehe ein intelligentes Sourcing über die Auslagerung von unwesentlichen Rand- oder Unterstützungsaktivitäten der Wertschöpfung hinaus. Es werde vielmehr versucht, über ein permanentes Vergleichen der eigenen Leistungen mit den vom Markt zu erwartenden Leistungen, die eigene Leistungskraft zu stärken (vgl. etwa Zahn/Barth/Hertweck 1999, 25).

(2) Outsourcing als komplexes ”Contracting” – eine Akteurslogik –

Im Kontext des Strukturwandels ist es für die Unternehmen von Bedeutung, eine unverwechselbare Identität zu entwickeln. Diese kann durch Verbundpartnerschaften gesichert werden, für die über die Kostenproblematik hinaus erweiterte ökonomische Kalküle zu berücksichtigen sind. Die Verbundpartnerschaft basiert auf einer komplexen Akteurslogik, durch die vor allem ein Wissenstransfer gesichert werden soll. So verspricht der Informationsaustausch z. B. mit einem externen IT-Partner die Optimierung der Geschäftsprozesse und die Ermöglichung der Konzentration des Unternehmens auf die eigenen Kernkompetenzen.

Bei einer wachsenden Komplexität des Marktes steigen die Anforderungen an Outsourcing-Partner und Outsourcing-Projekte. Um Outsourcing als strategisches Mittel im Wettbewerb zu platzieren, muss vom kurzfristigen Kosten- und Gewinndenken übergegangen werden zu längerfristigen Strategien. So gesehen kommt es auf langfristige und umfassende Partnerschaften zwischen Unternehmen und externen Dienstleistern an. Klassische, stark standardisierte Outsourcing-Verträge sind eher nicht in der Lage, komplexe Beziehungszusammenhänge zu gestalten. Dazu sind individuelle und differenzierte Vertragsgestaltungen erforderlich, die z. B. durch Vereinbarungen zur Gründung von Joint Ventures oder durch die Kooperation in einer Servicegesellschaft erreicht werden können.

(3) Outsourcing als soziale Implikation

Wenn Outsourcing auf die Steigerung der Produktivität (Leistungsaspekte) zielt, kann diese durch zwei Maßnahmen erreicht werden: Durch Erhöhung der Kapitalproduktivität und durch Erhöhung der Arbeitsproduktivität. Dafür sind aber neue Konfigurationen von Arbeit und Kapital erforderlich, die zu Veränderungen der Qualifikationsanforderungen führen. Die traditionelle Industriesoziologie ist auf diesbezügliche Fragen konzentriert, ob es sich beim Outsourcing unter qualifikationstheoretischen Aspekten um einen Substitutionsprozess handelt oder ob es zu einer permanenten Erhöhung oder Verminderung der Anforderungsniveaus kommt. Die langfristig angelegte sozioökonomische Forschung zeigt jedoch, dass sich die so gestellten Fragen nicht beantworten lassen (vgl. Lederer 1981). Festgehalten sei an dieser Stelle, dass sie curriculumtheoretisch auch deshalb nicht tragen, weil sie keinen Beitrag zu Klärung der Konstruktion von Bildungsgängen und Curricula mit Bezug zu neuen Qualifikationsanforderungen leisten. Gleichwohl sind die Leitfragen herkömmlicher Qualifikationsforschungen, so angelegt. Unstrittig ist, dass wir es mit qualitativen und quantitativen Veränderungen in Struktur, Qualität und Anforderungsprofil der angebotenen Arbeitsplätze zu tun haben. Zu beantworten bleibt, wie diese Veränderungen qualifikations- und curriculumtheoretisch zu analysieren und zu bewerten sind und welche Problemlösungsstrategien zu entwickeln sind, um die soziale Implikation (vgl. Lisop/Huisinga 2004) zu lösen.

Um diesen Fragen aus dem Blickwinkel einer berufsbildungswissenschaftlichen Qualifikationsforschung nachzugehen, habe ich aktuelle Entmischungsprozesse in einem spezifischen Dienstleistungs-Segment mit (auch kaufmännischer) Sacharbeit exemplarisch untersucht, nämlich im Gesundheitswesen. Im folgenden Kapitel wird deshalb das Erkenntnisinstrument Entmischung im Hinblick auf aktuelle Entwicklungen im Gesundheitswesen angewendet, um anschließend an diesem konkreten Beispiel die weiterhin notwendigen berufsbildungswissenschaftlichen Qualifikationsforschungselemente zu bearbeiten.

Über den Beitrag

Dieser Beitrag wurde verfasst von Prof.’in Dr. Ulrike Buchmann.

Buchmann, U. (2007): Subjektbildung und Qualifikation. Ein Beitrag zur Entwicklung berufsbildungswissenschaftlicher Qualifikationsforschung. Frankfurt am Main: GAFB-Verlag.
URL: http://gafb-verlag.de/Katalog/Freie-E-Books/Q&C_04.pdf#page=247

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