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Erziehungswissenschaft vernetzt


Lehrbuch: Übersicht

Der Gesellschaftliche Implikationszusammenhang

Meine Damen und Herren,
liebe Studierende,

die generellen bildungstheoretischen Zusammenhänge der Subjekt-Objekt-Vermittlung habe ich ihnen in der letzten Einheit dargelegt, die ja über den Bildungsauftrag und die notwendige individuelle und gesellschaftliche Reproduktion vermittelt ist. Im folgenden wird es darum gehen, die Zusammenhänge weiter zu erhellen, d.h. es ist die Verschränkung von Subjektbildung und Arbeit zu verdeutlichen:

Den in seiner Gattungsmäßigkeit wie in seiner Individualität als Sozialwesen entfalteten Menschen bezeichne ich als Subjekt. Subjekt ist der selbstbestimmte, aktive, die ihn umgebende Welt und die Geschichte reflektierende und bewusst gestaltende wie sich selbst entfaltende Mensch. Dieser ist einmalig und einzigartig und mit ganz individuellen Potenzialen ausgestattet, wie er zugleich Teil und Geprägter der Gemeinschaft(en), Gruppe(n), Gesellschaft ist, in denen er lebt.

Subjekt ist und wird der Mensch durch Arbeit, d.h. durch tätiges und bewusstes In-Beziehung-Treten zur äußeren, ihn umgebenden Welt, wodurch zugleich seine innere Welt sich als individuelle entwickelt.
Das Subjekt entwickelt sich in der praktischen gesellschaftlichen Tätigkeit, indem es Bereiche der Welt zum Objekt seiner Tätigkeit und seiner Erkenntnis macht und dabei seine Kräfte des Denkens, Fühlens, Wollens und Gestaltens vergegenständlicht (objektiviert), und indem es im Prozess und mit dem Produkt seiner Tätigkeit sein eigenes Wesen wie das der menschlichen Gattung sich zu eigen macht: durch Gewahrwerden, Nutzen, Genießen und Reflektieren.

Dies wiederum sowohl auf seine ganz persönliche, einmalige Weise, eben als Individualität, wie als gesellschaftliches und durch die Zugehörigkeit zu gesellschaftlichen Gruppen über-individuell geprägtes Wesen. Ohne die Bewusstwerdung seiner selbst und die Reflexion seiner Wünsche, Strebungen, Gedanken im gesellschaftlichen Lebenszusammenhang entfaltet er sich weder in seiner Individualität noch als Subjekt. Erst, wo er im reflektierenden, aufgeklärten Sinne Objekt seiner selbst ist, ist der Mensch voll Subjekt.

Hören sie dazu Friedrich Schiller aus dem Jahr 1795:

Auseinandergerissen wurden jetzt der Staat und die Kirche, die Gesetze und die Sitten:
der Genuß wurde von der Arbeit, das Mittel vom Zweck, die Anstrengung von der Belohnung geschieden. Ewig nur an ein einzelnes kleines Bruchstück des Ganzen gefesselt, bildet sich der Mensch nur als Bruchstück aus …, entwickelt er nie die Harmonie seines Wesens, und anstatt die Menschheit in seiner Natur auszuprägen, wird er bloß zu einem Abdruck seines Geschäftes, seiner Wissenschaft. (Über die ästhetische Erziehung des Menschen, 6. Brief, 1795)

Schillers Aussage zielt auf zweierlei:

(1) die Benennung von auftretenden Entfremdungsdimensionen, die, zöge man
einschlägige soziologische Befunde hinzu, sich um Krankheit (Fromm), Eindimensionalität (Markuse), Machtlosigkeit (Allardts), Ungewissheit, Anomien (Durkheim), Sinnlosigkeit und Leere, Normenlosigkeit, Verkümmerung (Marx) oder auch Stumpfsinnigkeit erweitern ließen.

(2)
Bildung im Dienste der Wesensverwirklichung des Menschen auf der Basis einer anthropologischen bzw. ästhetischen Sicht zu realisieren.

Da die Entfremdungsdimensionen nur rückbezogen auf die Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur zu verstehen sind, die ja nichts anderes als Arbeit ist, ist diese zur zentralen pädagogischen Kategorie zu erheben. Dabei darf nicht der Fehler begangen werden, Arbeit auf Erwerbsarbeit zu beschränken.

Ich sehe Arbeit vielmehr in der Einheit von Erwerbsarbeit, privater Reproduktionsarbeit und der nicht erwerbsmäßig betriebenen öffentlichen Arbeit (zum Beispiel in Parteien, Organisationen, Vereinen, Initiativen). Nur über einen solchen weiten Arbeitsbegriff gelingt es, den Bildungsbegriff curricular und didaktisch praktisch werden zu lassen.

Nun ist Bildung ja eine relativ abstrakte, häufig auch ideologisch normativ verwendete Kategorie, die man nicht so ohne weiteres didaktisch ausdifferenzieren kann. Erst recht lassen sich keine Curricula oder Unterrichtsgegenstände daraus ableiten. Der Weg läuft vielmehr in umgekehrter Richtung: Zur Bildung gelangt man, wenn

  • die Entfaltung der Gattungsmäßigkeit des Menschen,
  • die Entfaltung seiner Gesellschaftlichkeit und Individualität sowie
  • die Entwicklung und Entfaltung seiner – weiten – Arbeitsfähigkeit ausdifferenziert wird.

Dazu bedarf es allerdings spezifischer Instrumentarien.

Die klassische Didaktik (man denke z.B. an Weniger, Klafki und Heimann, Otto, Schulz) hat zwar die soziale Bedeutung von Lerninhalten thematisiert. Es fehlt aber ein ausdifferenzierter Analyse- und Entscheidungsrahmen, der das Phänomen des Gesellschafts- und Milieubezugs für die Verstehensseite wie für die Stoffstrukturierung ausdifferenziert hätte.

Anders formuliert, es gab keine arbeits- und lebensweltbezogenen Referenzrahmen für die Auslegung und Aufbereitung des Stoffes und die Konkretisierung von Lehr- und Lernzielen, Inhalten und Methoden hierauf.

So blieb es der individuellen Einschätzung von Lehrkräften überlassen, ob und wenn ja, wie die Lehrenden das Vorwissen, die Mentalitäten und Wertmuster, also den sozio-kulturellen Entwicklungsstand der Lernenden einerseits, Ziele, Inhalte und Verfahren andererseits mit den Aspekten dreierlei Arbeit vermittelten. Das hat sicherlich den Positivismus in den Schulen begünstigt.

Auf den Aspekt von dreierlei Arbeit kommt es mir deshalb an, weil Subjektbildung Selbst-, Sach- und Sozialkompetenz zu bündeln hat und individuelle Entwicklung und Existenzsicherung mit Reproduktionsansprüchen der Gesellschaft zu verbinden hat.

Ich komme nun zur Darstellung des allgemeinen Modells.

Das Modell Gesellschaftlicher Implikationszusammenhang (GIZ) dient der systematischen Analyse, Planung und Entscheidung in interpersonalen, psychisch und gesellschaftlich vermittelten Prozessen dort, wo diese für Lehren und Lernen bzw. für Erkenntnisgewinnung und -strukturierung sowie für die Bewältigung von Veränderungsprozessen aufbereitet werden müssen.

Der Gesellschaftliche Implikationszusammenhang als dialektisches Geflecht von Relationen lässt sich vereinfacht in dem folgenden Schaubild darstellen.

Die Pfeile der Graphik dürfen nicht als bloß kybernetischer Prozess wechselseitig aufeinander verwiesener Impulse bzw. als Kausalität missverstanden werden. Anders als in der Kybernetik formieren sich im Prozess der Vergesellschaftung ständig Einheiten neuer Qualität. Das wurde in der Lehreinheit Konstitutionslogik bereits angesprochen.

Didaktisch ausschlaggebend ist, daß erst durch Zuordnung der Curriculumelemente zum Gesellschaftlichen Implikationszusammenhang der Sinnproblematik (methodische Leitfrage) entsprochen wird, individuelle und gesellschaftliche Ansprüche zu vermitteln.

Zur Einheit Gesellschaftliche Verkehrsformen ist zu sagen:
In den Verkehrsformen drückt sich das Leben als produzierendes und gestaltendes gesellschaftliches Sein und als wechselseitiger Austausch von Aktivitäten und Kommunikation aus. Zu den Verkehrsformen gehört vor allem die Sprache. Es rechnen aber auch alle anderen Verhaltensweisen und Aktivitäten, also alle Ausdrucks-, Handhabungs- und Gestaltungspraktiken dazu, mit denen sich Beziehungen zur Natur und
zu anderen Menschen ausdrücken bzw. in denen sich Arbeit realisiert. Hierbei verweise ich noch einmal ausdrücklich auf den weiten Arbeitsbegriff. Besonders sei in diesem Zusammenhang auf fachspezifische Denk- und und Arbeitsmuster hingewiesen, selbst solche der sogenannten allgemeinbildenden Fächer. Sie eröffnen, zusammen mit Überblicken über das Objektfeld des Faches, gute Zugänge zur gesellschaftlichen
Relevanz eines Unterrichtsfaches. Diese ergibt sich ja neben der inhaltlichen Seite aus der Perspektivität, mit welcher Wissen und Erkenntnis erbracht und Problemlösen ermöglicht werden sollen.

Zur Einheit Gesellschaftliche Bewusstseinsformen:
Als Entsprechung zum materiellen gesellschaftlichen Sein beinhaltet das gesellschaftliche Bewusstsein die Ergebnisse intellektueller und emotionaler Lebensprozesse. Sie drücken sich in epochen-, kultur- und schichtspezifischen Erlebnisformen und Gefühlsmustern, Denkweisen, Normen und Wertungen, in Staats- und Rechtsauffassungen, weltanschaulichen und religiösen Überzeugungen, vor allem in der Gesamtheit der wissenschaftlichen Forschungsergebnisse bzw. in den gesellschaftlich verfügbaren Wissensbeständen aus, aber auch in Vorurteilen, Ideologien und Illusionen. Die gesellschaftlichen Bewusstseinsformen manifestieren sich in den Verkehrsformen, vor allem in der Sprache, sie sind individueller wie sozial genereller Natur.
Das Zusammenspiel der Gesellschaftlichen Verkehrsformen und der Gesellschaftlichen Bewusstseinsformen existieren aber nicht für sich. Sie realisieren sich immer nur über und in den Bereichen organisatorisch und institutionell verfasster Arbeit als Ausdruck individueller und kollektiver Lebensprozesse.

Die Einheiten der Produktionsformen:
Zur Einheit der primären Produktionsform zählen, der Einteilung nach Wirtschaftssektoren und Branchen folgend, alle Einrichtungen des Bergbaus, der Fischerei, der Land- und Forstwirtschaft, der Industrie und des Handwerks. Ferner der Handel, die Banken und Versicherungen, der Güter- und Nachrichtenverkehr sowie alle übrigen Dienstleistungsgewerbe. Diese Sektoren zeichnen sich durch eine spezifische Nutzung
von produktiven Faktoren aus. Hierzu zählen Ausbildungsgänge, technische Anlagen, Maschinen, Verfahrenstechniken etc., aber auch Berufsmoral und -ethiken.

Zur Einheit der sekundären Produktionsform
zähle ich die öffentliche Verwaltung und alle Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie das gesamte Verbandswesen, Parteien und Vereine; ferner alle Körperschaften des besonderen Rechts. Es gehören zur Einheit der sekundären Produktionsform folglich u.a. das gesamte Wissenschafts- und Bildungswesen, das Gesundheits- und Sozialwesen, die Gesetzgebung und die Rechtsprechung, die Künste, die Religionsgemeinschaften und nicht zuletzt die privaten Haushalte.

Die Produktionsformen verändern sich ständig durch die technisch-ökonomische Entwicklung in ihrer Struktur. Neuere, die Wirtschaftssektoren und Branchen übergreifende Entwicklungen sind z.B. FinTech, Mediatisierung, Big-Data, Sharing-Economy, Wasserknappheit, steigende Krankheitslasten, OpenAccess, Verhaltenskapitalismus, kollektiver Individualismus, Mobilität und nicht zuletzt Klimawandel. Insofern sie das überkommene Verhältnis von Verkehrsformen und Bewusstseinsformen verändern, was sich vor allem bezüglich Qualifikationen und Mentalitäten auswirkt, wirken sie regulativ.
Wir nennen Produktionsformen, Bewusstseinsformen und Verkehrsformen Einheiten des Gesellschaftlichen Implikationszusammenhangs, weil es sich um ausdifferenzierte Erscheinungsformen gesellschaftlich geprägten Lebens wie zugleich um knotenpunktartige Verdichtungen des Wesens von Gesellschaft handelt.

Mittels des Gesellschaftlichen Implikationszusammenhangs können die Dimensionen von Weltaufschluss, Verfügungserweiterung und erhöhter Lebensqualität in ihrer Implikation von den Lernenden so erarbeitet werden, dass sich Identität und Sinnstiftung trotz Wandel realisieren lassen.

Die Modellvariante Lebenszusammenhang / Alltagsimplikationen
Mit dem Gesellschaftlichen Implikationszusammenhang ist der individuelle Lebenszusammenhang vermittelt. Dieser beinhaltet die Beziehungen zwischen einzelnen Lebensbereichen, d.h. zwischen den Bereichen der Produktions- und Reproduktionssphäre, denen ein Mensch angehört und in denen sich sein Leben durch seine Tätigkeit verwirklicht. Die biografisch-prozessualen, institutionell-organisatorischen
bzw. institutionell-funktionalen Bereichsrelationen nenne ich auch Lebensbezüge. Aber erst die individuell erfahrbare und bewusste, reflektierte Konkretion der Beziehungen und die Konstituierung von Sinn ergibt Lebenszusammenhang.

Wie der Gesellschaftliche Implikationszusammenhang so ist auch der individuelle Lebenszusammenhang nicht – dies sei ganz ausdrücklich nochmals betont – die Summe oder der auf irgendeine Weise additiv zusammenhängende Komplex von Lebens- bzw. Teilbereichen der Produktionsformen sowie der Familie, denen ein Mensch in einer bestimmten Lebensphase oder im Laufe seines Lebens angehört; z.B. der Betrieb, in dem er einer Erwerbstätigkeit nachgeht, eine Kirchengemeinde, Vereine und Vereinigungen, Verbände oder – unter anderem Aspekt gegliedert – Familie, Arbeit, Freizeit oder primäre, sekundäre und tertiäre Sozialisation.

In den Teillebensbereichen kann sich durchaus so etwas wie ein Eigenleben entwickeln; man denke z.B. an das, was sich im Gegensatz zum Unterricht auf Pausenhöfen oder in den schulischen Toilettenräumen abspielt; an Kantinenleben, U-Bahn-Ebenen oder Chatrooms.

Lebensbereiche haben, was das Bewusstsein und das Erleben der Teilnehmer angeht, durchaus den Charakter einer Welt im kleinen, einer Lebenswelt. Aber solche Welten bleiben Ghettos oder geraten zu Scheinwelten, wenn sie abgekappt vom Ganzen des Gesellschaftlichen Implikationszusammenhangs, seinen Strukturen und Rationalitäten sind bzw. wenn die Vermitteltheit ihrer Erscheinungsformen wie ihrer Normen, Werte und Verkehrsformen durch das Ganze nicht durch Subjektbildung aufgeklärt wird.

Zur Handhabung des Gesellschaftlichen Implikationszusammenhangs
Wie können die Lehrenden nun praktisch mit dem GIZ als Referenzrahmen für die Stoffaufbereitung umgehen?

Insgesamt handelt es sich bei der Nutzung des Gesellschaftlichen Implikationszusammenhangs um einen Prozess schrittweiser Relevanzprüfung durch Auslegung und Zuordnung der Ziele und Stoffelemente zu den Einheiten der Implikationszusammenhänge.

Die Schritte in die didaktische Differenzierung umfassen:

(1) Orientierung im Fach oder im Feld der Produktionsformen
In umfassenderen Bildungsgängen wird es hier auf eine Vergewisserung über die Rolle des Faches (oder Moduls) insgesamt und in der speziellen Jahrgangsstufe ankommen. Die schulische Curriculumtradition arbeitet hier mit den Kategorien „Modus der Welterfassung und Weltbewältigung“ sowie „Bereich der Weltbegegnung“. Für die allgemeine Bildung gelten der historisch-gesellschaftliche, der mathematische, der naturwissenschaftliche, der sprachliche und der ästhetisch-expressive Modus als Kernbereich. Die dem entsprechenden Fächer haben die Rolle, „Weltbegegnung“ und Erfassung und Bewältigung der Welt“ zu ermöglichen. Die Gebrauchswertorientierung umfasst über die Rolle des Faches im Curriculum hinaus den weiteren Bildungsprozess und auch den lebensweltlichen Zusammenhang der Schülerinnen und Schüler.
Die Kategorie „Modus der Welterfassung“ deutet darauf hin, dass es hier um fachspezifische Verkehrsformen, d.h. Erkenntnis-, Darstellung- und Problemlösemethoden geht, denen ein hoher Transferwert zugesprochen wird. Dessen Realisierung verlangt einerseits, das fachliche Methodenbewusstsein und das Reflexionsvermögen zu schulen; andererseits ist der Stoff soweit wie möglich in die Funktionalitäten der Produktionsformen einzustellen.

In der der Qualifizierung für Erwerbsarbeit umfasst die Orientierung im Feld stets die möglichen Arbeitsfelder im Anschluss an die Qualifizierung. Hier ist zu fragen,

  • welche Funktionen und welchen Stellenwert das empirische Tätigkeitsfeld im Rahmen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung hat
  • welche Werte und Kulturen eine Rolle spielen;
  • welches die wichtigsten Strukturelemente und Prozesse sind;
  • welches die wirtschafts- und sozialpolitischen Akteure und die betrieblichen Hierarchieformen sind;
  • wo die Konfliktbereiche liegen;
  • welches Spektrum von Operationen die Qualifizierung verlangt.

In diesem Zusammenhang sei ausdrücklich darauf verwiesen, dass die pädagogische Professionalität für Lehren, Beraten, Verwalten und Innovieren außer Sachwissen, pädagogischen und psychologischen Kompetenzen auch soziologische verlangt. Hierzu gehören empirische Erkundungen im Praxisfeld samt entsprechender Literatur ebenso wie Exkursionen und Hospitationen. Ohne entsprechend breite Kenntnisse bleibt eine Nutzung des Gesellschaftlichen Implikationszusammenhangs für die Stoffaufbereitung defizitär.

(2) Zielsetzung bezüglich der Verkehrsformen
Hier wird danach gefragt, welches Können und welche Handhabungstechniken samt den zugehörigen Sensibilitäten und sprachlichen Kompetenzen sowie dem notwendigen Basiswissen in den Blick genommen werden müssen. Das »Können« wird hier in einem weiten Sinne verstanden und umfasst kognitive, emotionale und operative Dimensionen, aber auch Fragen des Wollens.

Anders formuliert: Was soll von wem in welchem Kontext, zu welchem Zweck und für welche Abnehmer wie gekonnt oder besser gekonnt, anders gemacht oder gesagt oder auch anders gesehen oder gewollt werden? Welches sind die Gründe für diese Ziele?

Einzelfragen können sein:
In welchen fachlichen Kontext oder gesellschaftlichen (betrieblichen) Funktionszusammenhang gehören die Operationen? Was hängt von ihrer Realisierung ab?

  • Welche Rolle spielen Rechtsvorschriften, Regulierungen, Vorgaben, Entscheidungsebenen und -arten oder Termine?
  • Welche Arten von Wissen (z.B. Faktenwissen, Regelwissen, Theoriewissen, Problemlösewissen) sind zur Durchführung erforderlich (unabhängig von Prüfungskatalogen)
  • Welche Arbeitsmittel sind zu benutzen und einzusetzen?
  • Welche prototypischen Wertmuster, Denk- und Urteilsmuster, aber auch Verhaltensstile und Rollenmuster ergeben einen spezifischen arbeitsfeldbezogenen Habitus bzw. ein spezifisches Arbeitsmilieu mit zugehörigen Mentalitäten?
  • Gibt es Spannweiten bzw. Differenzen der Handhabung?

Die Verkehrsformen werden übergeordneten Bewusstseinsformen zugeordnet, wobei vor allem Formen von Rationalitäten eine besondere Rolle spielen.

Hier lässt sich fragen:

  • Welche Rationalität (formale Logik eingeschlossen) durchzieht die empirische Praxis insgesamt?
  • Welche Sichtweisen, Interessen, Konflikte oder Widersprüche sind bestimmend?
  • Welche wissenschaftlichen, praktischen bzw. sozial-alternativen Lösungsmuster ließen sich denken? Wie ist Wissen dabei zu relativieren und neu zu kombinieren?

(3) Sozialisation und Psychodynamik Subjektbezug
In einem weiteren Schritt wird gefragt, welche besonders günstigen Ausgangsbedingungen seitens der Lernenden aufgegriffen werden können und auch sollen. Hier ist außer an das Vorwissen vor allen Dingen an Erfahrungen zu denken, die sich aus biografischen Lebenszusammenhängen ergeben haben. Dass hierzu z.B. sozialisationsspezifische, auch subkulturelle Besonderheiten gehören, sei betont. Sodann
wird nach etwaigen Hürden und Klippen im Lehr- und Lernprozess gefragt:
Was kann aus welchen Gründen Verständnis- bzw. Aneignungsschwierigkeiten bereiten

  • aufgrund unzulänglichen Vorwissens oder
  • unzulänglichen Könnens, auch etwaiger sprachlicher Defizite oder Handicaps;
  • aufgrund widersprechenden Vorwissens (mögliche kognitive Dissonanzen);
  • aufgrund von Wertvorstellungen und Gewohnheiten;
  • aufgrund spezifischer Bedürfnislagen im Kontext der Lebensbedürfnisse und Lebenskräfte;
  • weil spezielle Vorab-Trainings erforderlich sind?

Im dritten Schritt spielt die Verschränkung des Gesellschaftlichen Implikationszusammenhangs mit dem Referenzrahmen Psychodynamischer Implikationszusammenhang von Lebenskräften und Lebensbedürfnissen eine besondere Rolle.

(4) Korrelationen und Verdichtungen
Die Antworten aus den ersten Planungsschriften stellen eine Materialsammlung für Entscheidungen, aber noch nicht die Entscheidungsergebnisse für die Stoffaufbereitung dar. Hierzu ist ein Korrelationsverfahren erforderlich, das im exemplarischen Sinne zur Implikation führt, aus der sich der didaktische Prozess konfigurieren lässt.

Die zu 1-3 gewonnenen Antworten werden mit dem Gefüge der gesellschaftlichen Konstitutionslogik verglichen. Lässt sich eine Zuordnung finden, die erklärende und charakterisierende Kraft für die genannte Materialsammlung aufweist? Dies gilt für die Prozesse des gesellschaftlichen Ganzen ebenso wie für die operativen Ebenen des Arbeitsfeldes sowie Fragen des Habitus und Gebrauchswertes. Mit der Konstitutionslogik findet sich in der Regel die didaktische Fokussierungsmöglichkeit und mit ihr der weitere Strukturierungsweg.

Nicht immer findet man auf Anhieb eine angemessene Implikation oder auch nur Fokussierung. So könnte man sich für das gesellschaftliche Funktionsfeld Sozialversicherung die Kennzeichnungen Solidarvertrag, Generationenvertrag, Sicherheit und Vorsorge vorstellen. Alle diese Charakterisierungen sind richtig, und sie können auch die Fokussierung für Unterrichtseinheiten zum Thema Sozialversicherung abgeben. Die
Entscheidung für eine verdichtende didaktische Strukturkategorie hängt davon ab, wie weit die jeweilige Kategorie imstande ist, im vorliegenden Fall z.B. die fachliche, die betriebswirtschaftliche, die betrieblich-operative, die volkswirtschaftliche und die gesellschaftspolitische Dimension mit subjektbezogenen Kompetenzzielen zu verknüpfen.

Die Entscheidung hierüber ist nicht endgültig zu objektivieren. Es bleibt ein Einschätzungsrest. Dieser resultiert aus dem Kompetenzspektrum der Lehrenden wie aus dem Faktorengefüge seitens der Lernenden und des Bildungsganges.

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